Trofaiach - Nachtragsvoranschlag 2020 der "Mustergemeinde"


Eine herbe Enttäuschung!

(veröffentlicht am 20.10.2020, ergänzt am 02.11.2020)


Die Stadtgemeinde Trofaiach in der Steiermark (ca 11.000 Einwohner), zählt neben Klagenfurt und Grafenwörth (NÖ) zu den nach 2015 ausgewählten "Mustergemeinden" für Voranschlag und Rechnungsabschluss nach den Richtlinien der Doppik. Trofaiach wird dabei vom prominenten Wiener KDZ ("Kommunalwissenschaftliches Dokumentationszentrum" - Mag. Peter Biwald) betreut.  


Liebe Besucherin! Lieber Besucher!

 

Diese kritische Sachverhaltsdarstellung richtig sich nicht gegen

  • die Mitarbeiter der Stadtgemeinde Trofaiach
    • sie leisten unter den vorgegebenen Bedingungen hervorragende Arbeit
  • den Bürgermeister und den Gemeinderat als Kollegialorgan
    • es gibt bis dato für diese Zielpersonen so gut wie keine klaren Sach-Informationen zu diesem schwierigen Thema von den dafür verantwortlichen Stellen wie
      • VR Komitee
        • und dessen Auftraggeber wie
          • Bundesministerium für Finanzen
          • Rechnungshof
          • Bundesländer (Landeshauptleute)
          • Gemeindebund
          • Städtebund
        • Warum helfen diese Auftraggeber nicht dem VR Komitee bei der Bewältigung der anstehenden Probleme? Warum schweigen sie?

Weiter ist es erschütternd, dass marktführende Rechnungswesen-Softwareanbieter 

  • diese offensichtlichen Probleme nicht erkennen wollen oder
  • diese möglicherweise bewusst ignorieren, weil sie keine Lösung finden?

Was erhoffte sich der Autor von dem 1. Nachtragsvoranschlag 2020 der Mustergemeinde Trofaiach?

  • Die glasklare Darstellung der Investitionen im Investitionsnachweis und die Abstimmung mit der Kennzahl "341 Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit"
  •  Eine richtige und nachvollziehbare Darstellung aller Rücklagen
  • Keine künstliche Aufblähung der Haushaltszahlen

Die kompakte Vorab-Beantwortung dieser zentralen Fragen


1. Die Darstellung der Investitionen


Wie weiter unten klipp und klar dargestellt wird, stimmen die Zahlen des

  • Investitionsnachweises ("Nachweis der Investitionstätigkeit") [--> Seite 215 ff] mit der Kennzahl
  • "341 Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit"  nicht überein! Die Differenz beträgt € 419.100,00!!!

Nachstehend ist ein Ausschnitt aus dem Nachvollzug des 1. Nachtragsvoranschlages 2020 von Trofaiach zu sehen. 

Er stellt die "Auszahlungen aus Investitionstätigkeit" (KZ 341) dar, gegliedert nach den Hauptkostenstellen ("Ansätzen" , 0 bis 9) dar. 

Diese Darstellungsform ist nirgendwo vorgesehen, bietet aber nach Ansicht des Autors einen  großen Vorteil:

  • Der Betrachter sieht sofort, in welcher Kostenstelle was und wie viel investiert wird. 
  • Somit ein "riesiger" Beitrag zur Entscheidungsfindung des Gemeinderates ( als Individuum und Kollegialorgan)


Anmerkung zur Position "3417 Auszahlungen für den Erwerb von Beteiligungen"

Nach Ansicht des Autors ist diese Position hier systemfremd!

Begründung:

  • Werden die zugeordneten Querschnittszahlen berücksichtigt, sind Beteiligungen dem Finanz-Transaktions-Bereich ("Finanzierungstätigkeit") zuzuordnen (siehe untenstehende Abbildung) 
  • Beteiligungen sind in der Anlage 6 j oder 6k zu erfassen und nicht im Anlagenspiegel 6 g 

Der grün unterlegte Bereich zeigt die Querschnittskennzahlen 50/60. Diese verweisen auf den "Finanz-Transaktions-Haushalt"!!


Parallel dazu müsste die Position "3317 Einzahlungen aus der Veräußerung von Beteiligungen" ebenfalls in den Finanz-Transaktions-Bereich verschoben werden!


2. Die Darstellung der Rücklagen


siehe weiter unten die Ausführungen zu "Rücklagen - ein Dilemma"!


3. Die Aufblähung der Haushaltszahlen


Auch Trofaiach bläht ohne jeden Hinweis die Haushaltszahlen um € 517.900,00 künstlich auf!

  • Im Einnahmenbereich über das Konto "829900 Sonstige Erträge"
  • Im Ausgabenbereich über das Konto "729900 Sonstige Aufwände"
    • Der Autor gibt dabei frank und frei zu, die nachstehende Darstellung absolut nicht nachvollziehen zu können:





"Einzelinvestitionen", "Vorhaben", "Projekte" und "Sonstige Investitionen"


Der Begriff "Investition" kann

  • im weiteren Sinn gesehen werden als jede Ausgabe zur Schaffung von Vermögen und zur Bedienung von Aufwänden
  • im engeren Sinn gesehen werden als nur jede Ausgabe zur Schaffung von Vermögen:
    • Immaterielles Vermögen (zB Software, Planungsleistungen aller Art zur Schaffung von materiellem Vermögen)--> Kontenklasse 0
    • Materielles Vermögen (= Anlagevermögen, unbeweglich und beweglich)--> Kontenklasse 0
  • Investitionen im engeren Sinn werden über die Kontenklasse 0 aktiviert und in der Anlagenbuchhaltung erfasst

  • "Einzelinvestition" = "Vorhaben" = "Projekt". Diese Begriffe werden synonym verwendet und sind Investitionen im engeren Sinn
    • Erfassung in der Kontenklasse 0, Erfassung in der Anlagenbuchhaltung
  • "Sonstige Investitionen" - ein unpräziser und unglücklicher Begriff - sind Investitionen im engeren Sinn. Dies sind jene Investitionen, die in der Kameralistik im ordentlichen Haushalt angesetzt worden sind
    • Erfassung in der Kontenklasse 0, Erfassung in der Anlagenbuchhaltung

Wie sieht diese Begriffszuordnung im Nachtragsvoranschlag 2020 von Trofaiach aus?

Trofaiach definiert den Begriff "Vorhaben" im Vorbericht richtig!

"Die wichtigsten Einzelinvestitionen im Überblick" sind aber nicht konsequent dargestellt!

  • Diese Darstellung enthält Ausgaben für Investitionen in die Klasse 0 als auch für Aufwände in diversen Aufwandsklassen
  • Das führt dazu, dass der Gesamtbetrag nicht mit dem Betrag "341 Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit"  des Finanzierungshaushaltes übereinstimmt.


Die inkonsequente Darstellung von Trofaiach wird anhand des Investitionsnachweises offensichtlich:

  • Der Betrag für den Ansatz in der Klasse 0 beträgt € 4.133.600,00
  • Der Betrag für den Ansatz als Aufwand beläuft sich auf insgesamt € 903.600,00

Nach Ansicht des Autors betragen 

  • die Gesamtinvestitionen (Einzelinvestitionen und Sonstige Investitionen) in die Klasse 0 insgesamt     € 4.745.200,00 
  • Begründung:
    • Unmittelbare Aufwände für ein Projekt müssen  laut UGB aktiviert werden
    • Die Beträge für "Instandhaltungen" deuten eher auf "Instandsetzungen" hin.
    • Und Instandsetzungen müssen ex lege aktiviert werden
    • Der Betrag von € 292.000,00 für die "Zuweisung an die allgemeine Haushaltsrücklage" ist hier absolut falsch am Platz und ist aus der Gesamtsumme herauszunehmen
  • Dennoch gibt es eine Abweichung von € 419.000,00 zwischen dem Gesamtbetrag laut Investitionsnachweis und der Position "341 Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit" des Finanzierungshaushaltes.


Rücklagenmanagement - ein Dilemma


Der Autor setzt sich unter anderem auf folgenden Seiten mit der Behandlung von Rücklagen auseinander:


Wie die nachstehende Abbildung zeigt, liegen die Planzahlen bei den Rücklagen (Zahlungsmittelreserven) weit auseinander.

  • Laut Anlage 6b sollen im Jahre 2020
    • €   386.900,00 zugeführt
    • € 1.219.500,00 aufgelöst werden.
    • Diese Zahlen finden sich nirgendwo im Detailnachweis des Nachtragsvoranschlages. Das heißt, die Zuführung von € 386.900,00 wird nicht passieren!
  • Laut Investitionsnachweis sollen
    • € 733.300,00 aufgelöst werden
  • Laut Anlage 6b sind de facto per September 2020
    • € 635.000,00 aufgelöst worden

Warum das gesamte Rechenwerk so nicht funktionieren kann - ein Beweis


Am Beispiel der Anschaffung eines unbebauten Grundstückes für Trofaiach:

Im nachstehenden Bild sehen wir dazu die erforderlichen Daten:

  • Anschaffungswert 297.500,00 €uro
  • Finanzierung durch Auflösung einer Haushaltsrücklage in Höhe von 297.500,00 €uro laut Investitionsnachweis 

Aber was steht dazu im Detailnachweis des Voranschlages?

  • Keine Einzahlung im Finanzierungsvoranschlag!!!! In der Rubrik "Finanzierungstätigkeit" müssten € 297.500,00 stehen! Ist aber nicht der Fall!
  • Auszahlung im Finanzierungshaushalt € 297.500,00 (Rubrik "Investive Gebarung")


Erkenntnis:

  • DETAILNACHWEIS und INVESTITIONSNACHWEIS stimmen nicht überein!
  • Es fehlt die komplette Einzahlung für die Anschaffung des Grundstückes!

Jahrescashflowrechnung des Autors


Sobald ein Jahresabschluss vorliegt, lässt sich eine Jahrescashflow-Rechnung erstellen. 

Sie dient der Orientierung und zur Beantwortung der Frage, ob "Kassenstärker" (Kontokorrentkredite) möglicherweise in Anspruch genommen werden müssen.



Anmerkungen:

  • Trofaiach könnte noch rund € 644.000,00 (€ 1.279.000,00 - € 635.000,00) aus Allgemeinen Rücklagen auflösen
  • Eine Rücklagenzuführung würde den Cashflow-Betrag reduzieren

EXKURS: "Kassenstärker"



Wie die Abbildung zeigt, können in einer Gemeinde maximal 1 % der Summe der Gesamterträge als Verstärkungsmittel angesetzt werden. Das wäre für Trofaiach ein Betrag von € 2,58 Millionen.