ADG - Die Allgemeine Dienstverfügung für den Gemeindehaushalt - eine Steirische Spezialität

(veröffentlicht am 13.10.2020)


Oder: Sind die Steirischen Bürgermeister unisono Universalgenies?


Rundschreiben der Steirischen Gemeindeaufsicht vom 20. August 2020, Seite 11:



Die steirischen Bürgermeister(innen) sind von der eigenen Gemeindeaufsicht besonders gefordert. Bis 31. März 2022 müssen sie ohne jede Hilfe der steirischen Gemeindeaufsicht eine der schwierigsten betriebswirtschaftlichen Aufgaben bewältigen - nämlich die Erstellung einer Aufbau-und Ablauforganisation für die Abwicklung des Gemeindehaushalts.

 

Organisationsentwicklung zählt zu den schwierigsten, mühsamsten und zeitintensivsten Bereichen der Betriebswirtschaft bzw. der Öffentlichen Verwaltung.

 

Ist-Zustand erfassen auf Grund von zB Selbstaufschreibungen der Mitarbeiter, Fragebögen, Interviews. Dann Sollzustand definieren, um anschließend eine umfangreiche Dokumentation zu allen Themenbereichen zu erstellen. Die Dokumentation soll umfassend, jedoch übersichtlich und leicht verständlich sein. 

 

Wobei es besonders schwierig ist, die Schnittstellen zwischen automatisierten Abläufen, EDV-unterstützten und händisch durchgeführten Tätigkeiten zu definieren und zu beschreiben. 

Dies ist eine Mammut-Aufgabe selbst für Spezialisten. Sie verrechnen daher häufig auch Stundensätze pro Mann (Frau) zwischen 150,00 und 200,00 Euro ohne Umsatzsteuer.

Die großen steirischen Gemeinden werden sich diese Stundensätze leisten können und daher diese Aufgabe an Profi-Unternehmen komplett auslagern!

Für die kleinen und mittleren steirischen Gemeinden ist so etwas nicht möglich! Dazu fehlt schlicht und einfach das Geld!

Trotz einer massiven Strukturreform in der Steiermark gibt es derzeit 

  • 67 Gemeinden bis 1.500 Einwohner
  • 238 Gemeinden bis 5.000 Einwohner

Diese Gemeinden werden sich massive Unterstützung durch Spezialisten aus der Privatwirtschaft nicht leisten können! Sie sind auf Gedeih und Verderb auf sich selbst angewiesen!


Warum hilft die Steirische Gemeindeaufsicht nicht ihren Bürgermeister(innen)?

  •  Warum behandelt die Steirische Gemeindeaufsicht ihre Bürgermeister nicht als "Kunden" oder als "Partner"? 
  • Warum bietet die Steirische Gemeindeaufsicht ihren Bürgermeistern nicht einmal
    • Formatvorlagen in Word  oder
    • Textvorlagen in Word an? 
  • Natürlich würden solche Text-Vorlagen für die Steirische Gemeindeaufsicht sehr viel Arbeit bedeuten. Mit diesen Vorlagen könnte sie jedoch beweisen, dass sie nicht nur in zahllos verstreuten Paragraphen Sollensforderungen aufstellen, sondern dazu auch Lösungen in Form von Textbausteinen liefern könnte! 
  • Somit ist es zynisch und billig zu sagen: "Dieses heterogene Bild läßt sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen!" Diese Aussage stimmt so nicht! 
  • Alle kleinen und mittleren Gemeinden weisen die gleichen Merkmale und Eigenschaften auf. Und dafür könnten Textbausteine angeboten werden, aus denen die Gemeinden auswählen könnten. 

Die Rechtsgrundlage: "STEIRISCHE GEMEINDEHAUSHALTSVERORDNUNG" (StGHVO)  - ein Meisterwerk der Legistik?! Nein!! Eher das Gegenteil davon!


Überblick: 

  • die Verordnung umfasst insgesamt 134 Seiten samt Beilagen
  • mit der Behandlung der §§ 5 bis 10 StGHVO alleine ist es nicht getan! Dadurch ist eine "Allgemeine Dienstvorschrift für den Gemeindehaushaushalt" noch nicht erstellt!
  • Für die Ausarbeitung der ADG ist die gesamte Verordnung zu berücksichtigen!
  • Darüber hinaus sind zu einzubeziehen:
    • Die VRV 2015
    • Die Steirische Gemeindeordnung
    • Die Handbücher des EDV-Anbieters im Rahmen von automatisierten Verfahren
    • Die Handbücher des Softwareanbieters für das Rechnungswesen
    • Die Vorschriften der Statistik Austria (Datenschnittstelle)

Zentrale Regelungen in der StGHVO - unsystematisch, verwirrend, nicht ausreichend

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In den nachstehenden Abbildungen sehen wir die Überschriften der §§ 5 - 10 und die einzelnen Vorschriften für die §§ 5 bis 10.

Zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe säumen den Weg:

Beispiele:

  • § 6/4 "das Verbuchungsverfahren mit und ohne Zahlungsabwicklung sowie die Identifikation von Verbuchungen"
    • Was erwartet dazu die Gemeindeaufsicht? Was versteht die Gemeindeaufsicht unter "Identifikation von Verbuchungen"?
  • § 6/8 "die gänzliche oder teilweise Abschreibung zweifelhafter oder uneinbringlicher Forderungen.."
    • Hinweis: zweifelhafte Forderungen werden nur "wertberichtigt", nicht "abgeschrieben"!
  • § 8/3 "die Aufbewahrung, Beförderung, Entgegennahme von Zahlungsmitteln"
    • Welche Beschreibung wird diesbezüglich von der Gemeindeaufsicht erwartet?
      • Dass es Bankgutschriften und Banklastschriften gibt?
      • Dass Guthaben und Schulden sich aus den Vorzeichen des Kontoauszuges ableiten lassen?
      • Dass im Bankenverkehr in der Regel keine physische Übertragung der Zahlungsmittel erfolgt?
  • § 8/6 "die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, einschließlich der nicht voranschlagswirksamen Gebarung
    • Gibt es diesbezüglich überhaupt einen Unterschied?
  • § 6/7 "die Behandlung von Kleinbeträgen"
    • Was sind "Kleinbeträge"? Was soll damit nach Ansicht der Gemeindeaufsicht geschehen?
  • § 9/1 "das Verbot bestimmter Tätigkeiten in Personalunion"
    • Welche Tätigkeiten meint da die Gemeindeaufsicht? Da sollten schon Beispiele angeführt sein! Und dabei die Personalknappheit in kleinen Gemeinden berücksichtigt werden!
  • § 9/2 "die Sicherheitseinrichtungen"
    • Was erwartet die Gemeindeaufsicht zu diesem unbestimmten und weitläufigen Begriff?
  • § 9/4 "die interne Kontrolle des Gemeindekassiers über die Buchführung"

§ 17 StGHVO: 

(1) Der Gemeindekassier besorgt als ausführendes Organ der Haushaltsführung die

Finanzbuchhaltung (§ 85 Abs. 1 GemO).


Es ist hochinteressant, dass die Steirische Gemeindeordnung ex lege den Gemeindekassier mit der Führung der Finanzbuchhaltung beauftragt! Also der Kassier ist gleichzeitig der Leiter der Buchhaltung! Alle anderen Mitarbeiter in der Buchhaltung unterstehen dem Kassier und sind weisungsgebunden

Somit kann der Kassier Kontrollregeln gegenüber seinen Mitarbeitern schaffen, er selbst unterliegt jedoch keiner Kontrolle!



In der nachstehenden Abbildung sehen wir weitere unbestimmte Sollensforderungen im § 9 StGHVO!

Weiter unten steht das Resultat für den Begriff "ADG" in der StGHVO gemäß der nachstehenden Aufforderung der Steirischen Gemeindeaufsicht! Insgesamt ergeben sich laut Autor zusätzlich 28 Verweise auf andere Rechtsnormen!

 

"Der Gemeindeaufsicht Steiermark liegen eine Reihe von Anfragen zur ADG von den Gemeinden vor. Im Wesentlichen wird die Gemeindeaufsicht Steiermark von den Gemeinden um eine „Checkliste“ für die Erstellung der ADG ersucht. Dazu wird ausgeführt, dass diese „Checkliste“ bereits in der StGHVO eingearbeitet ist. Mit dem Suchbegriff „ADG“ scheinen sämtliche Punkte, die in einer ADG näher geregelt werden sollen bzw. können, direkt in der StGHVO auf." 

(Quelle: Richtlinie der Gemeindeaufsicht Steiermark, Ergänzende Richtlinie zum Voranschlag 2020 für einen Nachtragsvoranschlag 2020 der steirischen Gemeinden; Graz, 20. August 2020; Seite 11)



Aufbau-und Ablauforganisation - der Versuch einer Hilfestellung durch den Autor


Das Verfassen der ADG entspricht exakt dem Erstellen einer Aufbau-und Ablauforganisation für den Gemeindehaushalt in einer steirischen Gemeinde.


Die Begriffe Aufbauorganisation ("Gebildestrukturierung") und Ablauforganisation ("Prozessstrukturierung")


Die Aufbauorganisation übernimmt folgende Kernregelungen:

  • Wer übernimmt welche Aufgaben und trägt dafür die Verantwortung? (Stichwort: "Stellenbeschreibung")
  • Wer darf wem Anweisungen erteilen? Wer ist wem unterstellt? (Stichwort: "Organigramm")

Organigramm-Beispiel des Autors für kleine oder mittlere Gemeinden:

  • Gegliedert nach Tätigkeiten ("Service") im Sinne des Ansatzverzeichnisses der VRV 2015. 
  • Das Ansatzverzeichnis unterscheidet 9 Gruppen
  • Die Gruppe 9 zielt auf den Gemeindehaushalt

Hinweis: Dieses Beispiel ist nur eine mögliche Form von vielen unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten! 



Die Ablauforganisation regelt den Prozess der einzelnen Aufgaben in der Gemeinde:

  • Wer?  macht
  • Was?
  • Wie?
  • Womit?
  • Wann?
  • in welcher Zeit?
  • mit Wem?

Dies ist die Kurzformdefinition des Autors! Zahlreiche andere Definitionen findest Du im Internet!


Achtung: Die Begriffe "Aufbauorganisation" und "Ablauforganisation" werden nur gedanklich unterschieden! In der Praxis sind diese Elemente eng miteinander verzahnt!


Über allen nachfolgenden Managementfunktionen steht der Begriff "Organisieren"!

  • Ziele setzen 
  • Planen 
  • Entscheiden 
  • Durchführen
  • Kontrollieren
  • Daten sichern
  • Daten aufbewahren

All diese Subtätigkeiten müssen organisiert werden! Und finden ihren Niederschlag in der Organisationsdokumentation (Organisationshandbuch)!



Abbildung: Der Managementkreis unter der Dominanz des Begriffes "Organisieren" , erweitert um die Begriffe "Daten sichern" und "Daten ablegen"


Konkrete Tipps des Autors zur Erstellung der ADG


1. GLOBALEN ÜBERBLICK verschaffen


Die nachstehende Abbildung erscheint wahrscheinlich vielen Lesern als "banal", sollte aber so nicht empfunden werden. 

Bei umfangreichen und schwierigen Aufgaben ist es unbedingt erforderlich, sich einen Überblick zu verschaffen!

Daraus sind dann zu entwickeln:

  • "GLOBALAGGREGAT" (syn. "Globalmodul", "Globalaufgabe")
    • Aus dem Globalaggregat --> Hauptaggregate 
      • Aus den Hauptaggregat -->Subaggregate


Für die Ausarbeitung der ADG sind unter anderem erforderlich:

  • Steirische Gemeindehaushaltsverordnung (StGHVO)
  • Steirische Gemeindeordnung
  • VRV 2015
  • Handbücher der EDV-Hard-und Softwareanbieter
  • Handbücher der Softwareanbieter für das Rechnungswesen
  • Vorschriften der Statistik Austria

Vorgangsweise: "Querlesen" all dieser Unterlagen und auf separatem Papier Notizen erstellen. Daraufhin grafische Strukturen nach Hauptbegriffen anfertigen.

Zum Beispiel: 

  • Welche Regelungen tangieren den Begriff "Voranschlag"?

2. Erstellen eines "Globalaggregats" (syn. "Globalmodul" oder "Globalaufgabe")


Diese Aufgabe hat der Autor für Dich bereits anhand der nachstehenden Grafik übernommen!



Abbildung: Das "Globalaggregat" (syn. "Globalmodul" oder "Globalaufgabe") als Kernstruktur zur Erstellung einer Aufbau-und Ablauforganisation für den Gemeindehaushalt 


Anmerkungen zur obigen Abbildung:

Das Globalaggregat (Globalmodul, Globalaufgabe) "GEMEINDEHAUSHALT" umfasst

  • fünf Haupt-Aggregate
    • HAUSHALTSVORANSCHLAG (Budget), Nachtragsvoranschlag
    • FINANZBUCHHALTUNG (FIBU)
    • ANLAGENBUCHHALTUNG (ANBU)
    • LAGERBUCHHALTUNG (LABU)
    • KOSTENRECHNUNG (KORE)
  • Die Hauptaggregate werden in Subaggregate aufgespalten und entsprechend dokumentiert

Eines steht jetzt schon fest:

Das Haupt-Aggregat "FINANZBUCHHALTUNG (FIBU)" wird das

  • umfangreichste und
  • schwierigste

Kapitel im Organisationshandbuch werden!


Fortsetzung folgt!

Hinweis: Der Autor hat die Absicht, seinen Organisationsvorschlag für das Hauptaggregat "HAUSHALTSVORANSCHLAG" auf dieser Webseite anzubieten. Die Ausarbeitung ist im Gange. Er hofft, das Ergebnis dieser Arbeit noch vor Weihnachten 2020 präsentieren zu können!