Lob und Kritik zu den Mustervorlagen


(veröffentlicht am 21.05.2018)

Die Musterrechnungsabschlüsse und die Mustervoranschläge gemäß VRV 2015 der Pilotgemeinden Grafenwörth (NÖ), Trofaiach (Stmk) und Klagenfurt am Wörthersee (Ktn) sind Mitte April 2018 von mehreren Portalen gleichzeitig ins Internet gestellt worden.

Zum Beispiel von der Seite des Bundesministeriums für Finanzen können die Ergebnisse heruntergeladen werden:

https://www.bmf.gv.at/budget/finanzbeziehungen-zu-laendern-und-gemeinden/323315.html 

 

ENDBERICHT:

MUSTERVORANSCHLAG UND

MUSTERRECHNUNGSABSCHLUSS

FÜR STÄDTE UND GEMEINDEN

NACH DER VRV 2015

(INKL. DER NOVELLE VOM 23.01.2018)

Auftraggeber

Österreichischer Gemeindebund

Löwelstraße 6

1010 Wien

Österreichischer Städtebund

Rathaus, Stiege 5 

1082 Wien

Auftragnehmer / Projektteam

KDZ Managementberatungs- und

Weiterbildungs GmbH

NÖ. Gemeinde Beratung &

SteuerberatungsgesmbH

Quantum Institut für betriebswirtschaftliche 

Beratung GmbH

28. März 2018

(pdf-Datei, 114 Seiten)


1. LOB zu den Musterrechnungsabschlüssen und Mustervoranschlägen

Die Musterrechnungsabschlüsse und die Mustervoranschläge der 3 Pilotgemeinden beruhen auf einer Excel-Simulation. Diese Simulation fußt auf aufwendigen Excel-Programmen (Makros). Solche umfangreichen Makros zu erstellen bedeutet hohen Geist- und Zeitaufwand. Gleichzeitig ist der enorme Zeitdruck zu berücksichtigen und die Tatsache, dass die VRV-Novelle mit vielen wesentlichen Änderungen und Neuerungen  erst im Jänner dieses Jahres in Kraft getreten ist.

 

Dass sich bei einem solchen gewaltigen Prozess Fehler und Ungereimtheiten einschleichen, ist geradezu eine Selbstverständlichkeit! 

Und als Trost und Aufmunterung fällt mir dazu eine Aussage von Frank Tyler ein:

"Wer erfolgreich sein will, darf keine Angst haben, Fehler zu machen!"

 


2. Kritik und Anregungen


2.1 Der Autor ist der Ansicht, dass die Schuldenersätze als langfristige Forderung in die Aktiva aufgenommen werden müssten! Nur dadurch werden die Grundsätze der "Bilanzwahrheit" und "Bilanzklarheit" eingehalten! Dies betrifft Grafenwörth und Trofaiach!


2.2 Der Ansatz für die "Sonderposten" in der Bilanz 2015 für Grafenwörth ist nicht nachvollziehbar!

Begründung:

In der Bilanz 2014 werden insgesamt Euro 637.712,91 als "Sonderposten" ausgewiesen.

In der Bilanz 2015 stehen  insgesamt Euro 4.623.447,81 zu Buche! 

Dies würde eine Steigerung von  Euro 3.985.734,90 bedeuten!

Laut Finanzierungsrechnung sind aber im Jahr 2015 nur Euro 1.621.158,35 an Kapitaltransfers zugeflossen!  Das ergibt eine Differenz von rund 2,63 Millionen Euro! Wie erklärt sich diese Differenz?

Und mit welchem Buchungssatz sind diese Sonderposten ertragswirksam aufgelöst worden???


2.3 Die Gesamtdarstellung der Finanzierungsrechnung von Grafenwörth enthält zwei Rechenfehler! Gleichzeitig stimmen IST-Endbestand und SOLL-Endbestand an liquiden Mitteln 

um 160.305,61 Euro nicht überein! 


2.4 Der Verkauf von Grundstücken

Grafenwörth verkaufte im Jahr 2015 Grundstücke mit einem Erlös von Euro 333.053,46. 

Der Buchwert dieser Grundstücke beträgt laut Anlagenverzeichnis Euro 330.656,30.

 

Es ist weder der Erlös auf dem Konto "801 Veräußerung von Grundstücken und Grundstückseinrichtungen" zu finden noch der Buchwert auf dem Konto  "683  Verluste aus dem Abgang von Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten" ausgewiesen!

 

Diese Bezeichnung sollte besser auf "Buchwert abgegangener Anlagen" lauten, weil der Begriff "Verlust" setzt eine zuvor gehende Saldierung voraus!

 


2.5 Die "Sonderanlagen" von Grafenwörth

 

 

 

Der Anlagenspiegel für Grafenwörth weist im Jahr 2015 bei den Sonderanlagen einen Zugang von 22.000 Euro aus! (siehe Bild links).

 

 

Bei der Analyse der Detailbudgets stellt sich aber heraus, dass neben 26200 auch auf den Ansätzen 81500 und 85900 "Sonderanlagen" gebucht wurden, die sich im Anlagenverzeichnis nicht wiederfinden!

Wieder ein Beweis dafür, wie schlimm es wäre, Sachgüter unnötig als "Sonderanlagen" zu definieren! Der Begriff "Sonderanlagen" ist derzeit absolut nichtssagend!


2.6 Es gibt im Endbericht und in der VRV 2015 so gut wie keine Hinweise für die reale Implementierung der Doppik! Weder im Hinblick auf den Zeitablauf noch im Hinblick auf die zu setzenden Handlungsschritte!

Man darf ja nicht vergessen, dass die Doppik per 01.01.2020 aus dem kameralen Rechnungsabschluss per 31.12.2019 resultiert. Und dieser Rechnungsabschluss wird vielfach erst im Februar oder März 2020 erstellt werden. Wird daher die Doppik mit einem "Rumpfwirtschaftsjahr" per 01. März 2020 begonnen werden? 


2.7 Es gibt im Endbericht keine Hinweise, wie in den Mustergemeinden mit den Verwahrgeldern und Vorschüssen umgegangen worden ist. ZB ist hier eine "Zerlegung" in einzelne Personenkonten durchgeführt worden oder nicht? 


2.8 Es gibt im Endbericht nur rudimentäre Hinweise zur Zuordnung der Sachgüter zur Bilanz und zum Anlagenverzeichnis (Anlagenspiegel)!


2.9 Sonderposten (Investitionszuschüsse) - nach wie vor unklar!!


Der nachstehende Satz, der sich nur in den "Erläuterungen" des VR-Komitees befindet, müsste auch in der VRV (Grundnorm) stehen!

 

"Für Investitionszuschüsse im Sinne des § 36, die vor der Kundmachung der VRV 2015 (Oktober 2015) gewährt wurden, kann aus verwaltungsökonomischen Gründen kein Sonderposten angesetzt werden."

 

Begründung: Eine "Erläuterung" kann einen bestehenden Rechtstatbestand  nur näher erläutern und erklären, nicht aber einen eigenen Rechtstatbestand selbst neu schaffen!

("Walter, schau oba!!!").

[Gemeint ist DDr. Robert Walter, gefürchteter und gleichzeitig profunder Rechts-und Staatswissenschafter - 1931 bis 2010]

Hier wird aber in der Erläuterung eindeutig ein neuer Rechtstatbestand geschaffen!!

Soviel zur Rechtsnormqualität!!

 

Was heißt das nur für die Praxis?

Die Gemeinden haben das Wahlrecht, nur jene Kapitaltransfers in die Eröffnungsbilanz aufzunehmen, die nach dem 19. Oktober 2015 in der Gemeinde zugeflossen sind!!!

 

Die Gemeinden können aber auch weiter zurückliegende Investitionszuschüsse in die Eröffnungsbilanz aufnehmen, wenn das  damit geförderte Investitionsgut zum 31.12.2019 nicht bereits völlig abgeschrieben ist. 

 

Nach Ansicht des Autors müsste auch für den Ansatz der Kapitaltransfers 

das Prinzip des Restbuchwertes gelten!

 


 

Dieses Beispiel demonstriert die Vorgangsweise für die Behandlung von Sonderposten und den damit finanzierten Anlagen, wenn der Kapitaltransfer vor dem 19. Oktober 2015 erfolgte!

 

Erfolgt der Kapitaltransfer nach dem 19. Oktober 2015 und wird das Objekt noch vor dem 31.12.2019 in Betrieb genommen, ist analog vorzugehen!


Dieses Beispiel demonstriert die Vorgangsweise, wenn der Kapitaltransfer nach dem 19. Oktober 2015 erfolgt, jedoch die Inbetriebnahme des Gebäudes erst nach dem 01.01.2020 stattfindet!