Ein kniffliger Rücklagen-Sonderfall - können die Geldbestände stimmen?


(veröffentlicht am 28.09.2021)


Oberösterreichische Gemeinde, ca. 6.000 Einwohner

  • Softwareanbieter: COMM-UNITY, Graz
    • hergeleitet auf Grund folgender Merkmale:
      • Schriftart und Layout
      • kein Inhaltsverzeichnis (schwerer Mangel!)
      • keine Darstellung von EHH und FHH auf Ebene 1 und 2 (sehr schwerer Mangel!)
      • eigene Darstellung des Kassenberichts
      • eigene Darstellung von Aktiva und Passiva
      • bietet die neue Form der Querschnittsrechnung an (steirische Form)
      • Investitionsnachweis nach der steirischen Form

Ausgangslage und Problemstellung

  • Die k5-Gruppe - darunter NÖ-Gemdat und OÖ-Gemdat - beherrscht rund 80 % des österreichischen Gemeindemarktes.
  • Daher suchte der Autor ganz bewusst für seine Stichprobe nach einer Gemeinde, die von einem Minderheiten-Softwareanbieter betreut wird. 
  • Der Autor legt die Identität dieser Gemeinde aus folgendem Grund nicht offen:
    • weil das Resultat seiner Analyse die Richtigkeit der Geldgebarung anzweifelt

Problemstellung:

*******************

  • Der Vorbericht des RA 2020 sagt unter anderem zu den Zahlungsmittelreserven folgendes aus:


Im Vorbericht steht klipp und klar zu lesen:

  • Allgemeine Haushaltsrücklagen per 31.12.2020 € 715.643,42
  • Allgemeine Haushaltsrücklagen (Zahlungsmittelreserven) per 31.12.2020 € 816.605,16
  • Differenz: über 101.000,00 €uro

FRAPPIERENDE ERKENNTNIS:

  • Die Zahlungsmittelreserven seien um über 101.000,00 €uro größer als die Rücklagen!
  • Auch in der Anlage 6 b wird dieses "Phänomen" so ausgewiesen!
  • In der Wirklichkeit können die ZMR niemals höher sein als die Rücklagen, sondern nur maximal gleich hoch!
  • Ein valide Softwareanwendung sollte eine solche Ausweisung nicht zulassen!

  • Hauptursache von schweren Fehlern in der Rücklagengebarung:
    • Die unklare Regelung der VRV 2015 im Ergebnishaushaushalt :
      • Weder bei den Entnahmen noch bei den Zuweisungen wird sachgemäß getrennt in:
        • zahlungswirksame Rücklagen
        • nicht zahlungswirksame Rücklagen

Diese Gemeinde tätigt laut Rechnungsabschluss 2020 folgende Rücklagengebarungen:

  • Entnahmen € 2.706.821,93 - wie viele € davon sind zahlungswirksam? - wie viele  € sind davon nicht zahlungswirksam?
  • Zuweisungen € 565.251,40 - wie viele € davon sind zahlungswirksam? - wie viele  € sind davon nicht zahlungswirksam?

  • Der erste Blick geht zur Passiva:
    • In der Passiva sind nämlich beide Kategorien ("harte" und "weiche") der Rücklagen zusammen auszuweisen! Sie betragen
      • per 31.12.2020      € 1.455.709,54
      • per 31.12.2019       € 3.597.280,41
      • Gesamtentnahme € 2.141.570,87

  • Der zweite Blick geht zur Aktiva:
    • In der Aktiva sind nur die "harten" Rücklagen auszuweisen! Und dort stehen
      • per 31.12.2020      € 1.398.358,49
      • per 31.12.2019       € 3.498.101,11
      • Gesamtentnahme € 2.099.742,62

  • Folgende Kontroll-Rechnung wird vorgenommen:
    • Gesamtstand der ZMR per 31.12.2019 laut Aktiva    € 3.498.101,11
    • minus Entnahmen ZMR im Jahr 2020 laut EHH     € 2.706.821,93
    • Zwischensumme                                                                €    791.279,18
    • plus Zuführungen 2020 ZMR                                         €    507.900,01
    • Sollstand an ZMR per 31.12.2020                               € 1.299.179,19
    • Ausgewiesener IST-Stand an ZMR  per 31.12.2020   € 1.398.358,49
    • Differenz zwischen Soll und Ist- stand              €     99.179,30

Siehe auch nachstehende Grafik:



Zusammenfassung:

  • Sowohl der Endbestand an liquiden Mitteln als auch der Endbestand an Zahlungsmittelreserven müsste einer Prüfung unterzogen werden.